Mario Draghi, der ehemalige Präsident der Europäischen Zentralbank, hat einen umfassenden Bericht zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der EU vorgelegt. In diesem Bericht fordert er massive Investitionen von 750 bis 800 Milliarden Euro pro Jahr, was etwa vier bis fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts der EU entspricht. Dies wäre deutlich mehr als die Investitionen, die im Rahmen des Marshallplans nach dem Zweiten Weltkrieg in Europa getätigt wurden. Draghi hebt die Herausforderungen der EU-Wirtschaft hervor, indem er feststellt, dass die EU mit einem Wachstum von 30 Prozent hinter den USA zurückbleibt. Zudem stellt China eine zunehmende Bedrohung dar, da in fast 40 Prozent der Branchen chinesische Unternehmen direkt mit europäischen Firmen konkurrieren. Diese Situation wird durch geopolitische Spannungen zusätzlich erschwert, die den für die EU wichtigen Handel, der 45 Prozent des BIP ausmacht, unter Druck setzen. Um diesen Herausforderungen zu begegnen, schlägt Draghi eine besser koordinierte, EU-weite Industriestrategie vor, die sowohl privates als auch öffentliches Kapital einbezieht. Er empfiehlt eine Überarbeitung der Wettbewerbspolitik, um mehr Investitionen in Schlüsselindustrien zu ermöglichen, und kritisiert die unterschiedlichen Subventionsniveaus, die den EU-Binnenmarkt beeinträchtigen. Darüber hinaus befürwortet er eine stärkere Konsolidierung im Telekommunikationssektor und die Förderung von Fusionen zwischen Mobilfunkbetreibern in der EU.

Im Bereich der Energiepolitik betont Draghi die Notwendigkeit, die Energiepreise zu senken und gleichzeitig die Dekarbonisierung voranzutreiben. Für die Dekarbonisierung der vier größten emissionsintensiven Sektoren der EU werden in den nächsten 15 Jahren rund 500 Milliarden Euro benötigt. Zudem wären zwischen 2031 und 2050 weitere 100 Milliarden Euro im Verkehrssektor erforderlich. In Bezug auf die Verteidigung schlägt der Bericht eine gemeinsame Finanzierung von Forschung und Entwicklung sowie eine verstärkte gemeinsame Beschaffung vor, um Technologien wie Drohnen und Hyperschallraketen zu entwickeln. Draghi empfiehlt auch die Reform einer Agentur, die dem US-amerikanischen DARPA-Modell ähnelt, um bahnbrechende Technologien zu fördern. Zur Finanzierung dieser umfassenden Reformen bringt er die Möglichkeit ins Spiel, dem Beispiel des 800 Milliarden Euro schweren “Next Generation EU”-Fonds zu folgen, der durch gemeinsame Schulden finanziert wird. Dieser Vorschlag könnte jedoch auf Widerstand stoßen, insbesondere aus Ländern wie Deutschland und den Niederlanden, die einer stärkeren fiskalischen Integration kritisch gegenüberstehen. Abschließend warnt Draghi, dass die EU, wenn sie nicht produktiver wird, gezwungen sein wird, Prioritäten zu setzen. Sie wird nicht in der Lage sein, gleichzeitig führend in neuen Technologien, ein Vorreiter im Klimaschutz und ein unabhängiger Akteur auf der globalen Bühne zu sein. Die Umsetzung seiner Vorschläge wird angesichts der schwierigen politischen Lage in vielen EU-Ländern eine Herausforderung darstellen. Es liegt nun an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die Empfehlungen von Draghi zu berücksichtigen und zu entscheiden, inwieweit sie umgesetzt werden können.

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